Bündnis „Rettet den Rettungsdienst 2.0“ startet mit klarem Appell an den Bundesgesundheitsminister: Hände weg vom Rettungsdienst!

Der Rettungsdienst funktioniert. Während andere Bereiche der Gesundheitsversorgung zunehmend mit Herausforderungen konfrontiert sind, gibt es bei lebensbedrohlichen Notfällen unter der Rufnummer 112 schnell und zuverlässig Hilfe. Dies ist durch Pläne des Bundes zur Verlagerung von Zuständigkeiten und für zentrale Vorgaben bedroht. Dagegen formiert sich Widerstand. Auf Initiative des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) hat sich am heutigen 16. September 2024 das Bündnis „Rettet den Rettungsdienst 2.0“ gebildet. Dabei handelt es sich um die Neuauflage eines breiten Zusammenschlusses von Akteuren rund um den Rettungsdienst, der bereits 2019 in Erscheinung getreten war.

Zum Start des Bündnisses erklärt die Niedersächsische Ministerin für Inneres und Sport, Daniela Behrens: „Die Pläne der Bundesregierung, die Zuständigkeiten des Rettungsdienstes auf die Bundesebene zu verlagern und zentrale Vorgaben durch den Bund einzuführen, hätten tiefgreifende Auswirkungen auf die Struktur der Notfallversorgung zur Folge und stellen gleichzeitig die Leistungsfähigkeit der Länder in Frage. Der Rettungsdienst hat sich als elementare Landes- beziehungsweise Kommunalaufgabe bewährt! Die wesentlichen Merkmale und Stärken liegen insbesondere in der regionalen Verankerung, verbunden mit einer spezifischen Planung und individuellen Lösungen vor Ort. Dadurch wird besonders in ländlichen oder strukturschwachen Regionen die passgenaue Versorgung der Menschen gewährleistet. Diese Sicherheit darf jetzt nicht durch einen Alleingang des Bundes, unausgereifte oder überhastete Reformen gefährdet werden. Vielmehr muss es darum gehen, die bestehende Struktur durch tragfähige praxisnahe Lösungen zu stärken – in Kooperation zwischen Bund und Ländern! Aus dem Grund unterstützen wir als Land das Bündnis ‚Rettet den Rettungsdienst 2.0‘.“

NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer fasst die Botschaft des Gründungsaufrufs zusammen: „Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach soll die Hände von den Landeszuständigkeiten lassen. Der Rettungsdienst ist Kernbestandteil der Gefahrenabwehr nach Landesrecht und der kommunalen Daseinsvorsorge. Diese integrierte Hilfeleistung bei allen Notfällen verantworten erfolgreich die Landtage und Kommunen seit Jahrzehnten mit hoher demokratischer Legitimation. Der sensible Bereich der Rettung von Menschenleben darf nicht durch eine unausgegorene Reform mit Änderungsanträgen im Vorbeigehen gefährdet werden.“

Ralf Selbach, Landesgeschäftsführer des Deutschen Roten Kreuzes Niedersachsen, führt aus: „Der Rettungsdienst wird getragen von der engen Zusammenarbeit der kommunalen Träger mit den Hilfsorganisationen und einem dahinterstehenden integrierten Hilfeleistungssystem haupt- und ehrenamtlicher Einsatzkräfte. Diese bewährten Strukturen zur Rettung von Menschenleben und zum Schutz unserer Bevölkerung in Krisen und Katastrophen dürfen nicht durch bundesweite Vorgaben beeinträchtigt werden, die niemand braucht. Der Bund therapiert mit seinen Reformversuchen den falschen Patienten, denn die Probleme des Rettungsdienstes resultieren aus der Überlastung der anderen Sektoren der Notfallversorgung.“

Landrat Rainer Rempe, Vorsitzender des NLT-Gesundheitsausschusses, fügt hinzu: „Neben einer unausgegorenen Krankenhausreform, die neben vielen weiteren Punkten daran krankt, dass der Bundesgesundheitsminister seiner Pflicht zur Finanzierung der laufenden Betriebskosten der Krankenhäuser nicht nachkommt, brauchen wir nicht noch eine weitere Schnellschuss-Reform. Im Rettungsdienst als Teil der Gefahrenabwehr der Länder und kommunaler Aufgabe der Daseinsvorsorge arbeiten viele Menschen und Organisationen seit Jahrzehnten erfolgreich zum Schutz der Bevölkerung zusammen. Dieses gut funktionierende und ortsnahe System darf nicht durch Zuständigkeitsverlagerungen, zentrale Vorgaben aus Berlin und den Entzug von Finanzmitteln gefährdet werden.“

Viele Akteure aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Organisationen haben bereits ihre Mitwirkung in der Neuauflage des Bündnisses erklärt. Es ist weiterhin offen insbesondere für Träger und Leistungserbringer auf Landes- und kommunaler Ebene im Rettungsdienst. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem Gründungsaufruf 2.0 des Bündnisses, das als Anlage beigefügt und unter www.nlt.de/rettungsdienst abrufbar ist.

Pressekontakt: Ulrich Lottmann, medien@nlt.de.
Das Bündnis ist erreichbar unter: rettungsdienst@nlt.de.

Rettet den
Rettungsdienst!
Gründungsaufruf 2.0 des Bündnisses für den Rettungsdienst als Landes-

und Kommunalaufgabe September 2024

Deutschland 2024: Volle Wartezimmer bei akuten haus- und kinderärztlichen Problemen, wochenlange Wartezeiten auf Facharzttermine, hausärztlicher Notdienst mit langer Wartezeit am Telefon, viel zu große Versorgungsbezirke und diffuse Reaktionszeit, überfüllte Notaufnahmen der Krankenhäuser mit vielen Stunden Wartezeit. Viele Patienten landen im falschen Versorgungspfad und warten viel zu lange auf die richtige medizinische Hilfe in Eil- und Krisenfällen.

Und bei lebensbedrohlichen Notfällen? Steht in allen Bundesländern rund um die Uhr der Rettungsdienst als Aufgabe der Länder und Kommunen unter der Rufnummer 112 bereit. Die kommunalen (Berufs-)Feuerwehren und weitere kommunale Experten, die Hilfsorganisationen wie das Deutsche Rote Kreuz, der Arbeiter-Samariter-Bund, die Johanniter-Unfall-Hilfe, der Malteser-Hilfsdienst, die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft, weitere Hilfsorganisationen und private Fachleute stehen bereit, sofort – innerhalb weniger Minuten nach Eingang des Notrufs – Hilfe zu leisten. Rund um die Uhr, 365 Tage im Jahr, im Schneesturm, während der Silvester-Party und mitten in den Sommerferien, vom Allgäu bis ins Wattenmeer, inzwischen auch mit Unterstützung eines Telenotfallmediziners. Egal ob zum Extremsportler oder ins Seniorenheim: Der Rettungsdienst in Deutschland kommt zuverlässig innerhalb kurzer Fristen in international beneideter Qualität und rettet jeden Tag unzählige Leben.

Warum braucht der Rettungsdienst nun selbst Hilfe? Das Bundesgesundheitsministerium will den Rettungsdienst als Landes- und Kommunalaufgabe faktisch abschaffen: Der Rettungsdienst soll nach den Eckpunkten des Bundesgesundheitsministeriums vom 16. Januar 2024 Teil des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung im SGB V werden, um die Zuständigkeit für den Rettungsdienst von den Ländern auf den Bund zu verlagern. Damit soll der Rettungsdienst so behandelt werden wie andere Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung: Es soll künftig bundesweite Vorgaben zur Planung der Rettungswachen-Standorte und weitere zentrale Vorgaben geben. Solche Vorgaben gefährden funktionierende Strukturen vor Ort. Die kommunale Zuständigkeit der Gemeinden, Städte und Landkreise beim Bedarf an Fahrzeugen, beim Standort der Rettungswachen und bei der Auswahl der Leistungserbringer soll eingeschränkt werden. Es droht zudem die Gefährdung der mühsam erreichten europarechtlichen Bereichsausnahme für den Rettungsdienst und der ehrenamtlichen Strukturen im Bevölkerungsschutz.

Warum macht der Bund so etwas? Der Bund hat jahrelang die Probleme in der akuten ambulanten und stationären Notfallversorgung der Bevölkerung nicht lösen können. Ständig wurden neue Strukturen wie die Terminservicestellen geschaffen, ohne dass es in der ambulanten Versorgung besser wurde. Der Bund will unnötig zentrale Vorgaben in einem Bereich durchsetzen, der bisher durch spezifische Lösungen auf Länder- und kommunaler Ebene geprägt ist. Echte Argumente, warum eine Bundeszuständigkeit im Rettungsdienst etwas an den aktuellen Herausforderungen bei der Notfallversorgung lösen könnte, gibt es nicht. Der Bund therapiert den falschen Patienten.

Was ist künftig mit den Kosten? Wesentlicher Reformtreiber für den Bund ist eine behauptete Intransparenz bei den Kosten des Rettungsdienstes. Die gibt es nicht, weil in den meisten Ländern die Krankenkassen den besten Einblick in die Kostenstrukturen haben und die Kosten einvernehmlich zwischen den Leistungserbringern und den Krankenkassen vereinbart werden. Wir befürchten, es wird wie im Krankenhausbereich werden: Erst gibt man bundesweite Standards vor, und dann folgen Finanzierungsabschläge, wenn bestimmte bürokratische Parameter nicht erfüllt werden. Das entzieht dem System Geld, weil Hilfsorganisationen und Kommunen bei den großen Summen nicht als Ausfallbürgen dauerhaft einspringen können. Dadurch wird das System weiter geschwächt und bekommt noch weniger Mittel. Diese für die Patienten gefährliche Abwärtsspirale, die wir im Krankenhausbereich derzeit erleben, muss beim Rettungsdienst dringend verhindert werden!

Wie geht der Bund vor? Lange Zeit hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach angekündigt, man werde den Entwurf eines eigenen Bundes-Rettungsdienstgesetzes vorlegen. Mitte Juni 2024 dann die Kehrtwende: Die Regelungen sollen nun ohne vorheriges Beteiligungsverfahren in das laufende Gesetzgebungsverfahren zur Reform der Notfallversorgung im Herbst dieses Jahres durch Änderungsanträge eingebracht werden, um die Diskussion mit der Fachöffentlichkeit und den Ländern abzuwürgen. Das verhindert jeden fachlichen Dialog, ist nicht an echter sektorenübergreifender Zusammenarbeit interessiert und schlicht undemokratisch. Man redet über den Rettungsdienst, aber nicht mit dem Rettungsdienst. So geht es nicht!

Was wäre die bessere Lösung? Der Bund kann problemlos die unstreitig erwarteten Verbesserungen wie die Klarstellung in § 60 SGB V (Rettungsdienst ist mehr als Transport), die Digitalisierung der Schnittstellen, den Zugriff des Rettungsdienstes auf die E-Akte sowie die Finanzierung moderner sektorenübergreifender Versorgungskonzepte wie des Gemeindenotfallsanitäter nach Maßgabe des Landesrechts regeln. Ein eigener Leistungsbereich „Rettungsdienst“ braucht es dafür ebenso wenig wie Regelungen zur Vergütungstransparenz oder zur Entwicklung bundesweiter Rahmenvorgaben. Diese Themen sind Ländersache.

Warum ein Bündnis? Im Rettungsdienst arbeiten viele Menschen und Organisationen seit Jahrzehnten erfolgreich zum Schutz der Bevölkerung zusammen und haben ungezählte Leben gerettet. Ein funktionierender Rettungsdienst ist wertvoller Teil der Gefahrenabwehr der Länder und kommunale Aufgabe der Daseinsvorsorge. Gemeinsam mit den Feuerwehren und dem Katastrophenschutz bildet der Rettungsdienst mit den Leitstellen ein schlüssiges Gesamtkonzept zur Rettung aller Menschen aus Lebensgefahren. Dieses erfolgreiche und ortsnahe System mit vielen hunderttausenden ehrenamtlich Aktiven in den Hilfsorganisationen darf nicht durch Zentralisierung und Entzug von Finanzmitteln gefährdet werden.

Was fordert das Bündnis konkret? Das Bündnis fordert:

Der Rettungsdienst muss als Landes- und Kommunalaufgabe der Daseinsvorsorge uneingeschränkt erhalten bleiben. Die föderale Struktur sichert die passgenaue Versorgung und ist Motor für die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens. Die Verantwortung für den Rettungsdienst liegt zu Recht bei den Ländern (Art. 70 GG). Der Rettungsdienst ist nach Landesrecht vielerorts Aufgabe der Städte und Landkreise im eigenen Wirkungskreis, die den Spielraum für effektive und effiziente Organisationsformen genutzt haben. Die Landeszuständigkeit für den Rettungsdienst hat sich seit Jahrzehnten bewährt, weil örtliche Mitbestimmung statt zentraler bundesweiter Vorgaben für jede Region die beste Lösung zur Organisation der Rettung darstellt. Demokratischer geht es nicht.

Eine Gesetzesänderung mit dem Ziel, dem Bund mehr Einfluss auf den Rettungsdienst zu geben, wird strikt abgelehnt. Die dringend notwendigen Reformen wie eine Öffnungsklausel für sektorenübergreifende Versorgungsformen zwischen Rettungsdienst und Kassenärztlichem Notdienst können im SGB V verankert werden, ohne die Kompetenz der Länder anzutasten. Eine weitere Aushöhlung der Staatlichkeit der Länder im Bereich der Gefahrenabwehr muss verhindert werden.

Die Überlegungen des Bundesgesundheitsministeriums zur Regelung des Rettungsdienstes als Leistungsbereich im SGB V müssen fallen gelassen werden. Das Bundesgesundheitsministerium vernachlässigt seit Jahren die Zusammenhänge des Rettungsdienstes mit dem Brand- und Katastrophenschutz bei der Hilfe für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort (Stichwort: aufwachsende Lagen). Jede Veränderung der Kostentragung im Rettungsdienst durch den Bund sowie fachliche Vorgaben für den Rettungsdienst machen das System schwerfälliger, bürokratischer, fehleranfälliger und benachteiligt letztlich Kommunen und Hilfsorganisationen vor Ort. Regelungen zu Versorgung, Qualität, Planung und Kostentragung im Rettungsdienst sind Ländersache und müssen es auch bleiben.

Wer kann mitmachen? Das Bündnis steht allen Ländern, Kommunen und Organisationen offen, die seine Ziele unterstützen. Mit dem Beitritt sind keine Kosten oder weitere Verpflichtungen verbunden. Eine Mail an Rettungsdienst@nlt.de genügt.

Wie kann man mitmachen? Das Bündnis ruft hiermit alle Landtage der Länder mit allen Landtagsfraktionen, die für den Rettungsdienst zuständigen Ministerien der Länder, alle deutschen Kommunen mit ihren ehrenamtlichen Stadt- und Gemeinderäten und Kreistagen und alle Leistungserbringer im Rettungsdienst wie die Hilfsorganisationen auf, diesem Bündnis beizutreten, die Reformpläne des Bundes kritisch zu beraten und den örtlichen Bundestags- und Landtagsabgeordneten zu verdeutlichen, dass die Lösung für den Rettungsdienst nicht in einer Zentralisierung liegt.