NLT-Aktuell – Ausgabe 34

DLT-Jahrestagung I: Präsident Sager will Vertrauen in Strukturen stärken

Der Deutsche Landkreistag (DLT) hat seine 76. Jahrestagung und 16. Mitgliederversammlung am 9./10. September 2024 im bayerischen in Kloster Seeon (Landkreis Traunstein)durchgeführt. Am 9. September waren unter anderem Bayerns Ministerpräsident Dr. Markus Söder und Vizekanzler Dr. Robert Habeck (Videoschalte) zu Gast. Landrat ReinhardSager, dessen Amtszeit als DLT-Präsident nach zehn Jahren am 10. September 2024 endete, sagte in seiner Eröffnungsrede: „Die Politik muss mehr liefern, besser kommunizieren und darf sich nicht ständig verheddern im Klein-Klein. Dafür geht es um zu viel. In derVerunsicherung der Zeitenwende ist es umso mehr Aufgabe der Politik, Wege zu finden,das Vertrauen der Bevölkerung zu stärken.“ Spätestens die Ergebnisse der Landtagswahlen im Frühjahr und Herbst 2016 hätten gezeigt, dass sich viele Menschen in ländlichenRäumen abgehängt fühlen. „Jetzt ist es in Sachsen und Thüringen noch einmal dicker gekommen. Wichtig ist die Erkenntnis, dass Deutschland dezentral geprägt ist und die meisten Menschen in der Fläche leben. Für diese muss zuallererst Politik gemacht werden.“

Die Landkreise unternähmen viel, so Sager weiter, um gerade in schwierigen Zeiten alsStabilitätsanker in der Fläche wahrgenommen zu werden. Es sei wichtig, das Vertrauender Menschen in staatliche Strukturen zu stärken. „Es müssen demokratische Mehrheitengefunden werden – und das ist bei der jüngsten Wahl der Kreistagsvorsitzenden überallgelungen. Aber aus Sicht der Landkreise besteht kein Grund zur Zufriedenheit mit derBundespolitik: Es lässt sich etwa beim Heizungsgesetz, beim 49-Euro-Ticket oder in derKrankenhausversorgung sowie im Wohnungsbau nicht behaupten, dass die Bundesregierung eine Politik für das gesamte Land gemacht hat.“ In der Migrationspolitik lasse derBund Konsequenz, Ordnung und Steuerung vermissen. Neben schnelleren Asylverfahrenbräuchte es daher dringend geringere Zuzugszahlen. Dazu dauerhafte Grenzkontrollenund mehr Migrationsabkommen mit Drittstaaten, auch mit der Türkei. „Und der Bund versagt uns seit Anfang 2022 den Vollausgleich der flüchtlingsbedingten Unterkunftskosten.Da reden wir bis heute über mehr als sieben Milliarden Euro.“

Sager wies zudem darauf hin, dass ohne ordentlich finanziell ausgestattete Landkreiseund Gemeinden kein Staat zu machen sei. „Von den 294 Landkreisen haben im letztenJahr 189 ihren Haushalt nicht oder nur unter Rückgriff auf ihre Rücklangen ausgleichenkönnen. Das sind zwei Drittel. 2024 werden dies 281, also fast alle Landkreise sein. Vielfach werden die Rücklagen in Milliardenhöhe damit vollständig aufgebraucht sein.“ DieLänder, aber über die Stärkung der kommunalen Steuerbasis auch der Bund, müssten füreine aufgabenangemessene Finanzausstattung der Kommunen sorgen.

DLT-Jahrestagung II: Landrat Dr. Achim Brötel ist neuer Präsident

Der Deutsche Landkreistag (DLT) hat anlässlich seiner Mitgliederversammlung einstimmigam 10. September 2024 Dr. Achim Brötel, Landrat des Neckar-Odenwald-Kreises, zumNachfolger von Reinhard Sager in das Amt des Präsidenten des Deutschen Landkreistages gewählt. Die Mitgliederversammlung hat darüber hinaus ebenfalls einstimmig die bisherigen Vizepräsidenten Landrat Sven Ambrosy (Landkreis Friesland) und LandratThomas Karmasin (Landkreis Fürstenfeldbruck) für eine weitere Wahlzeit als Vizepräsidenten sowie als neue Vizepräsidenten Landrat Götz Ulrich (Burgenlandkreis), LandrätinAnita Schneider (Landkreis Gießen, ab 28. November 2024) und Landrat Olaf Schade(Ennepe-Ruhr-Kreis, ab 16. November 2025) gewählt. Der vormalige DLT-Präsident Reinhard Sager ist außerdem ab sofort DLT-Ehrenmitglied.

DLT-Jahrestagung III: Neuer Präsident fordert Mut zur Priorisierung

Landrat Dr. Achim Brötel kam in seiner Antrittsrede als neuer Präsident des DeutschenLandkreistages (DLT) auf die großen Herausforderungen zu sprechen, die vor den Landkreisen stünden, auch und gerade bezogen auf eine kritikwürdige Bundespolitik: „Wir müssen uns aktiv einmischen, wenn bestimmte Dinge falsch laufen, konstruktiv daran mitwirken, dass es stattdessen in die richtige Richtung geht, und kraftvoll für die notwendigenVeränderungen sorgen, wo wir selbst Gestaltungsspielräume haben.“ „Ohne finanziell ordentlich ausgestattete Landkreise ist kein Staat zu machen,“ stellte Brötel fest. Der Wegführe über eine signifikante Stärkung der kommunalen Steuerbasis, was nur durch einedauerhafte, spürbare und insbesondere auch strukturelle Erhöhung des Umsatzsteueranteils erfolgen könne, die unmittelbar den Landkreisen zugutekomme.

Betont kritisch äußerte sich Brötel zur anstehenden Krankenhausstrukturreform: „Wir brauchen keine Revolution, die uns nachher einen ungeordneten Scherbenhaufen hinterlässt,sondern eine sinnvolle Evolution. Und wir brauchen eine Reform, die die Betriebskosten auskömmlich regelt und zugleich die verfassungsrechtlich geschützte Planungshoheit derLänder wahrt.“ Im Fokus der Politik müssten deshalb die Menschen und ihre konkretenBedürfnisse stehen und nicht „der missionarische Eifer eines einzelnen Ministers“, brachteer es auf den Punkt. Die Bundespolitik sei „ziemlich weit weg von dem, was die Menschenvor Ort bewegt.“ Den Landkreisen machten vor allem die schiere Aufgabenfülle und Aufgabenvielfalt große Schwierigkeiten. „Ein Kernthema ist die Bewältigung des immer noch zuhohen Zustroms geflüchteter Menschen, die unterzubringen, zu versorgen, vor allem aberzu integrieren sind. Hinzukommen der Klimawandel, die Zukunft des Sozialstaats, der Arbeitskräftemangel, die Energie- und Mobilitätswende, der flächendeckende Glasfaserausbau und vieles mehr.“

Problematisch sei außerdem die „nahezu grenzenlose Detailverliebtheit der Gesetzgeber,was inzwischen in Gesetze und Verwaltungsvorschriften mündet, die an filigraner Ausdifferenzierung kaum mehr zu überbieten sind. Das ist nicht nur nicht notwendig und verkompliziert die Umsetzung vor Ort. Es hemmt und lähmt auch die Entfaltung kommunalerSelbstgestaltung, wo wir sie dringend brauchen“, so der DLT-Präsident. Brötel sagte zumSchluss: „Wir müssen uns in diesen Fällen ehrlich machen, auch wenn es weh tut. JederEuro lässt sich nur einmal ausgeben und jede Fachkraft nur einmal einsetzen. Deshalbbrauchen wir dringend den Mut zur Priorisierung. Wir müssen offen sagen, was noch geleistet werden kann, was aber umgekehrt eben auch nicht mehr zu schultern ist.“

Bundesweite Ansprechstelle für kommunale Amts- und Mandatsträger

Mit der „starken Stelle“ hat zum 1. August 2024 eine bundesweite Ansprechstelle für kommunale Amts- und Mandatsträger ihre Arbeit aufgenommen. Sie richtet sich an Personen,die in ihrem kommunalpolitischen Amt Hass, Hetze und Bedrohung ausgesetzt sind. Die„starke Stelle“ nimmt eine Lotsenfunktion wahr und bietet persönliche, bedarfsgerechteOrientierung zu Hilfs- und Unterstützungsangeboten. Ziel ist es, die Betroffenen unmittelbar an für die jeweilige Bedrohungssituation zuständige Ansprechpartner auf Landes- oderBundesebene zu vermitteln.

Online ist die „starke Stelle“ unter www.starkestelle.de erreichbar. Darüber hinaus ist sievon Montag bis Freitag zwischen 9 und 16 Uhr auch telefonisch unter 0800 300 99 44 sowie per Mail (info@starkestelle.de) zu erreichen. Die „starke Stelle“ arbeitet vertraulich undauf Wunsch der Betroffenen auch anonym.

Landeshaushalt 2025 in den Landtag eingebracht

Die niedersächsische Landesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Haushaltsplans für das Haushaltsjahr 2025 (Haushaltsgesetz 2025 – HG 2025,LT-Drs. 19/4900 Neu) in den Niedersächsischen Landtag eingebracht. Der Entwurf desHaushaltsplans sieht Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 44,2 Milliarden Euro vor.Eine Nettokreditaufnahme ist in Höhe von 406,7 Millionen eingeplant. Weiter plant dasLand mit einem negativen Finanzierungssaldo von -695,2 Millionen Euro. In dieser Größenordnung kann es allerdings regelmäßig im Haushaltsvollzug auch Einsparungen erzielen, so dass abzuwarten bleibt, ob es zu einem negativen Finanzierungssaldo in der Jahresrechnung kommt.

Aus kommunaler Sicht ist insbesondere auf die Zuweisungen für Konnexitätszahlungenzum Vollzug des Wohngeldgesetzes hinzuweisen Hier sind 28,97 Millionen Euro in 2025veranschlagt, wie auch der Presseverlautbarung der Landesregierung zur Haushaltsklausur zu entnehmen war. Erläuterungen zu der Position sind im Entwurf nicht enthalten. Angesichts der aus kommunaler Sicht vollständig unzureichenden Höhe finden hier derzeitim Hintergrund noch eine Reihe von Gesprächen statt. Es bleibt abzuwarten, ob diesenoch zu Ergebnissen führen.

Die Schlüsselzuweisungen sollen gegenüber dem laufenden Jahr um 131,8 Millionen Eurosteigen. In dieser Darstellung ist die prognostizierte negative Steuerverbundabrechnungallerdings nicht enthalten. Im Übrigen bleibt die Steuerschätzung im Herbst abzuwarten.Angesichts der sich insgesamt schwieriger darstellenden Wirtschaftslage muss damit gerechnet werden, dass die Höhe des kommunalen Finanzausgleichs 2025 noch Korrekturen nach unten erfährt.

Mittelfristige Planung Niedersachsen 2024 bis 2028

Die Niedersächsische Landesregierung hat am 24. Juni 2024 die Mittelfristige Finanzplanung (Mipla) 2024 bis 2028 beschlossen. Bereits im Vorwort weisen der Ministerpräsidentund der Finanzminister auf nachhaltige Investitionen in Bildung, Gesundheit und Klimaschutz hin (Verbesserung der Unterrichtsversorgung, zusätzliche Medizinstudienplätze inOldenburg/Förderung regionaler Gesundheitszentren/Digitalisierung der Landesverwaltung/Förderung der Breitbandversorgung/Wiedervernässung von Mooren/Hochwasserschutz). Sodann heißt es, angesichts der riesigen Herausforderungen werde nicht in dieKrise hineingespart, sondern es würden die vorhandenen Spielräume, insbesondere dieKonjunkturbereinigung und die Mittel der Rücklage, bis zum Ende der Mipla in 2028 vollständig ausgenutzt.

Bei den Kommunalfinanzen nimmt das Land zunächst eine Darstellung der Entwicklungvon Landes- und Kommunaleinnahmen und den Finanzierungssalden in Kurzform vor undverweist insbesondere auf den Finanzbericht des Finanzministeriums. Angesichts der äußerst unterschiedlichen Entwicklung der Finanzierungssalden insbesondere in den letztenbeiden Jahren kommt die Mipla zu dem Ergebnis, für die künftige Prüfung der Angemessenheit der Verteilungssymmetrie zwischen Land und Kommunen werde entscheidendsein, die weitere Entwicklung der Finanzierungssalden genau zu beobachten und zu analysieren.

Anschließend wird auf die positive Entwicklung der kommunalen Steuereinnahmen insbesondere im Verhältnis zu den Landessteuern eingegangen. Bei der Steuerschätzung wirddabei nicht berücksichtigt, dass das Land bei seiner Prognose Steuerrechtsänderungenwie die zu erwartenden Einnahmeminderungen bei der Einkommensteuer wegen der Freistellung des Existenzminimums bereits aufgenommen hat, die Steuerschätzung für dieKommunen diese aber nicht enthält.

Schreiben der Innenministerin zur Bezahlkarte in Niedersachsen

Mit Schreiben vom 6. September 2024 hat Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens die niedersächsischen Kommunen über den aktuellen Sachstand zur Einführung derZahlkarte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) informiert. Sie warb insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Vermarktungsbemühungen von im Vergabeverfahren unterlegenen Anbietern erneut dafür, sich dem landesweit einzuführenden Bezahlkartensystem anzuschließen.

Auch die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände (AG KSV) unterstütztweiterhin ausdrücklich die Bestrebungen des Landes, ein niedersachsenweit einheitlichesSystem zur Einführung der Bezahlkarte zu etablieren. Auch vor dem Eindruck des zunehmenden Drucks weiterer Anbieter von Bezahlkarten bleibt die Forderung nach einer klarenund abschließenden Regelung durch das Land bestehen.

Gesetz zur Ausgestaltung der inklusiven Kinder und Jugendhilfe

Seit kurzem kursiert in der Fachöffentlichkeit ein Entwurf eines Kinder- und JugendhilfeInklusionsgesetzes mit Stand vom 20. August 2024. Er ist noch nicht der offizielle Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ)und enthält auch noch einige Leerstellen und Platzhalter. Wesentlichen Inhalte sind:

  • Kinder und Jugendliche sollen neben ihren Eltern selbst Anspruchsinhaber der Hilfenzur Erziehung werden.
  • Leistungen in der Hilfe zur Erziehung und der Eingliederungshilfe sollen durch offeneLeistungskataloge mit unterschiedlichen Leistungsarten geregelt werden. Es gibt jedoch einheitliche Regelungen für die Zusammenführung der Hilfe- und Leistungsplanung.
  • Die bislang für den Übergang eingesetzten Verfahrenslotsen sollen verstetigt ihre Aufgabenstellung ausgeweitet werden.
  • Einheitliche Regelungen zur Kostenheranziehung der Leistungen.
  • Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten soll für die Leistungen der Eingliederungshilfeoffenbleiben, dies gilt auch für Leistungen, die sowohl Eingliederungshilfe als auch originäre Jugendhilfeleistungen umfassen. Reine Jugendhilfeleistungen bleiben bei denVerwaltungsgerichten.
  • Zur Finanzierung geht das BMFSJ davon aus, dass es kaum dauerhafte Mehrkostengeben wird.

Die Geschäftsstelle des Niedersächsischen Landkreistages (NLT) weist darauf hin, dassder vorliegende Arbeitsentwurf zur Ausgestaltung der inklusiven Kinder- und Jugendhilfedie Leistungsgewährung der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche aus dem Vertragsrecht des SGB IX (Kapitel 8) herauslöst. Damit finden hier künftig ausschließlich dieVorgaben zu den Vereinbarungen über Leistungsangebote, Entgelte und Qualitätsentwicklung des SGB VIII Anwendung. Auch wenn für die bis zum 31. Dezember 2027 geschlossenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB IX eine Weitergeltungbis 31. Dezember 2032 vorgesehen ist, ist dort zugleich vorgesehen, dass jede Vertragspartei ab 1. Januar 2028 zur Neuverhandlung einer Vereinbarung nach dem Kinder- undJugendhilferecht aufrufen kann. Mit Blick auf die verbesserten Rahmenbedingungen ist davon auszugehen, dass die Leistungserbringer hiervon Gebrauch machen werden. Mitden Auswirkungen des mit dem Kinder- und Jugendhilfeinklusionsgesetz beabsichtigtenParadigmenwechsels wird der NLT sich intensiv in der nächsten Sitzung des Jugend- undSozialausschusses am 21. November 2024 befassen.

Referentenentwurf eines Pflegekompetenzgesetzes

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hat den Referentenentwurf eines Pflegekompetenzgesetzes vorgelegt. Neben der Erweiterung der Kompetenzen in den Pflegeberufen enthält der Entwurf umfangreiche Änderungen des SGB XI, die unter anderem dieRolle der Kommunen stärken sollen.

  • Stärkung der Rolle der Kommunen durch folgende Punkte:
  1. Regelung zur kommunalen Pflegeplanung,
  2. die Pflegekassen stellen den Kommunen regionale Versorgungsdaten zur Verfügung (gegen Kostenerstattung),
  3. Förderung der Zusammenarbeit in regionalen Netzwerken, § 45e SGB XI-E,
  4. Beachtung der Empfehlungen und Zielsetzungen der kommunalen Pflegestrukturplanung vor Abschluss des Versorgungsvertrages durch die Pflegekassen;
  • Änderung bei den Regelungen zur Unterstützung im Alltag;
  • Anspruch auf Umwandlung des ambulanten und teilstationären Sachleistungsbetrags;
  • zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen;
  • Regelungen zu gemeinschaftlichen Wohnformen;
  • Regelungen zur Gewährleistung des Sicherstellungsauftrags der Pflegekassen;
  • Verfahrensleitlinien für die Vergütungsverhandlungen und Vergütungsvereinbarungen;
  • Umsetzung und Erweiterung des Personalbemessungsverfahrens für vollstationärePflegeeinrichtungen, Einrichtung einer Geschäftsstelle Personalbemessung zur Unterstützung der Pflegeeinrichtungen.